Toxic Productivity
Ein gesundes Mass an Produktivität ist notwendig, um Ziele zu erreichen. Doch kann zu viel Produktivität auch negativ sein? Wie Toxic Productivity in unserer Gesellschaft angekommen ist und wie man mit 5 Tipps dagegen vorgehen kann, erfährst du im kommenden Beitrag.
Was wird unter Toxic Productivity verstanden?
Fühlst du dich stets beschäftigt, gestresst und unfähig einfach mal abzuschalten? Und passt auf dich die Beschreibung «Workaholic» oder «die extra Meile gehen», ständig bei der Arbeit und immer erreichbar zu sein, unabhängig was es für die Gesundheit (physisch und mental) bedeutet? Verpasst du des Öfteren soziale Anlässe und ignorierst den eigenen Schlaf, den Sport oder die Gesundheit? Dann sind dies alles Anzeichen von Toxic Productivity.
Toxic Productivity wird also als ständiges Überarbeiten auf die Kosten von anderen Bereichen deines Lebens definiert. Es ist eine Denkweise, welche sich im steten »Machen» widerspiegelt. Du hast das Gefühl, dass du dir keine Pause oder Ruhe gönnen darfst und stets deine To-Do-Liste abhaken musst. Alles, was du tust, soll zu sicht- und greifbaren Ergebnissen führen. Und falls du zu Pausen gezwungen wirst, dann empfindest du diese als Zeitverschwendung. Da du deine Gedanken nicht abschalten kannst, kannst du auch diese Auszeit nicht geniessen und möchtest sie mit doppelt so viel Arbeit wieder wett machen. Diese stetige, hohe Produktivität wird dann zu einer Besessenheit und zur Sucht.
Ein geringes Selbstwertgefühl als auch der stete Drang seinen Nutzen und Wert anderen als auch sich selbst beweisen zu müssen, könnten die Ursachen sein. Wer im Home-Office arbeitet, läuft schneller Gefahr in dieses toxische Muster zu verfallen, da die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben oft nicht klar definiert sind (Mehr dazu auch im Blog "Die 8 grössten Fehler im Home Office"). Darüber hinaus kann zu Hause viel öfters das Gefühl aufkommen, dass du beweisen musst, dass du arbeitest, um nicht als faul oder leistungsschwach dazustehen. Toxische Produktivität kann also eine Methode sein, um mittels Flucht in die Arbeit allfällige private Schwierigkeiten oder Problemen zu vergessen. Denn so erscheint die Arbeit als viel wichtiger im Vergleich zu alltäglichen Dingen des Lebens wie Wohlbefinden, Gesundheit und Beziehungen.
Diese toxische Einstellung ist schwer zu eruieren, da produktiv sein und viel Arbeiten in der heutigen Gesellschaft oft in ein positives Licht gestellt werden. Aber sie sollte nicht unterschätzt werden, denn gemäss Studien kann dies signifikante Folgen auf die mentale Gesundheit sowie das Familien- und Arbeitsleben haben. Die Folge einer solchen toxischen Einstellung? Mögliche Burnouts.
Die gute Nachricht ist, sobald du realisierst, dass du in diesem Strudel gefangen bist, kannst du aktive Massnahmen dagegen treffen. Denn Pausen und Erholung sind von grosser Wichtigkeit, um wirklich effizient und produktiv arbeiten zu können. Sind wir mal ehrlich, kannst du qualitativ hochwertige Arbeiten abliefern, wenn du dich stets nicht ganz fit fühlst?
Wie erkennst du Toxic Productivity?
Aber wie erkennst du nun, dass du diese schmale Grenze zwischen schädlicher und gesunder Produktivität überschritten hast? Du kannst diese toxische Haltung erkennen, indem du deine Alltagsgewohnheiten mit etwas Abstand betrachtest:
-
Schlechtes Gewissen: Du fühlst dich sofort schuldig, wenn du dir eine Pause gönnst oder du deine Freizeit mit «unproduktiven» Tätigkeiten verbringst (wie z.B. mit Freunden weggehen, etwas lesen, was nichts mit deinem Job zu tun hat oder auch einfach nur TV zu sehen etc.)
-
Keine Prioritätensetzung: Jede Aufgabe scheint genauso wichtig und dringen zu sein, wie alle anderen, weil du keine Prioritäten gesetzt hast
-
Pause als Aufgabe: Eine kurze Pause betrachtest du als ein abzuhakendes To-Do deiner Liste, was ein wirkliches Ausruhen kaum möglich macht, und zur Frustration führt, bei dieser Aufgabe nicht genug geleistet zu haben
-
Falsche Messung des Selbstwerts: Du definierst deinen Wert nur über deine Effizienz und deine Leistungen
-
Schlechte Beziehungspflege: Du vernachlässigst deine Familie und Freunde
-
Schlafstörungen, Abgeschlagenheit und Müdigkeit: Du liegst nachts of wach und hast einen qualitativ schlechten Schlaf. Tagsüber fühlst du dich meist müde und ausgelaugt
-
Ängstlichkeit und Gereiztheit: Du bist plötzlich viel ängstlicher als zuvor und reagierst auf dein Umfeld oft gereizt
5 Tipps, um Toxic Productivity zu überwinden
Aus dem Hamsterrad des Überarbeitens herauszukommen ist möglich. Lasst uns zusammen ein paar Punkte durchgehen, wie das ständige Überarbeiten bekämpft werden kann:
1. Fokussiere nicht nur darauf was dringend, sondern auch was wichtig ist
In der heutigen Zeit wird von einer dringenden Aufgabe zur nächsten gehetzt. Oft gehen in dieser Eile die eigenen Prioritäten vergessen, weil du alles erledigen willst und dich nur noch auf das Wichtigste anderer fokussierst. Und fühlst du dich noch öfters machtlos, als könntest du nichts dagegen tun?
Dann gibt es eine hervorragende Methode, die du einfach anwenden kannst. Nicht alle deine Aufgaben, die wichtig sind, sind auch wirklich dringend. Mittels der Eiesenhower-Matrix kannst du so versuchen deine Aufgabenliste umzugestalten, damit du die einzelnen To-Do’s besser priorisieren kannst.
Der Aufbau der Matrix ist simpel: Eine Achse bildet die Wichtigkeit einer Aufgabe ab, die andere Achse zeigt die Dringlichkeit an. Daraus resultieren vier Prioritäts-Kategorien:
- Priorität: Dringend und wichtig
- Priorität: Nicht dringend und wichtig
- Priorität: Dringend, aber nicht wichtig
- Priorität: Nicht dringend und auch nicht wichtig
Die oberste Priorität hat eindeutig der erste Quadrant (dringend und wichtig). Diese Tasks sollten zuerst erledigt werden. Danach folgt der zweite Quadrant, von welchem du jeden Tag eine Aufgabe herausnehmen solltest. Beim dritten und vierten Quadranten läufst du schnell die Gefahr, dass viel Zeit für Aufgaben aufgewendet werden, welche nur minimale bis gar keine Auswirkung haben.
Mit dieser Matrix kannst du sicherstellen, dass du dich auf die Dinge fokussierst, welche für dich und dein Leben von Bedeutung sind und dich persönlich oder beruflich weiterbringen.
2. Übe professionelle Zurückhaltung
Ist «professionelle Zurückhaltung» allenfalls ein neuer Begriff in deinem Wortschatz, weil du bis anhin immer «ja» zu allen gesagt und andere immer fleissig unterstützt hast? Sich in Zurückhaltung zu üben ist aber auch eines der wirksamsten Dinge, die du tun kannst, um dich vor toxischer Produktivität zu lösen und ein mögliches Burnout zu vermeiden.
Laurie Ruettimann prägt den Begriff “professional detachment”, was so viel bedeutet wie «berufliche Loslösung». Dies bedeutet, dass du deine Rolle bei der Arbeit nicht als Kern deiner Identität sehen darfst. Vielmehr ist es die Idee, dass du produktiv und engagiert sein kannst, ohne dass sich dein ganzes Leben und dein Selbstwertgefühl um deinen Job dreht.
Aber wie erreichst du dies nun? Zuerst müssen wir verstehen, dass du dich nicht nur über deinen Job definierst. Deine berufliche Karriere ist nur ein Teil deines Lebens. Dein Wert als Mensch wird nicht durch gutes oder schlechtes Arbeiten widergespiegelt. Es geht also darum die richtige Perspektive einzunehmen.
3. Plane Arbeitspausen und Puffer in deinen Zeitplan ein
Wer kennt es nicht: Der Terminkalender ist übervoll von Terminen und Besprechungen und die zu erledigende Arbeit muss irgendwie zwischen die verbleibenden Stunden gequetscht werden. Hast du dann kaum die Arbeit verlassen, geht es meist auch schon im Privaten mit Terminen weiter.
Versuche daher dir bewusst Zeit zu nehmen und freie Plätze in deinem Terminkalender für Pausen einzuplanen, um nicht in die Falle der toxischen Produktivität zu fallen. Achte v.a. auch auf ein optimales Zeitmanagement. D.h. plane dir genügend Puffer vor als auch nach Besprechungen ein, damit du in Ruhe Zeit für Vor- und Nachbereitungen hast. Gönne dir auch die Zeit für ein richtiges Mittagessen oder eine Runde Sport, um wieder Energie zu tanken und so die Batterien wieder aufzuladen. Das alles wirkt sich positiv auf deine Produktivität aus.
4. Trenne Arbeit und Freizeit klar voneinander
Um ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben herzustellen, ist es wichtig, dass diese beiden Aspekte auch ganz klar voneinander getrennt werden. Der Zeitpunkt, wann die Arbeit zu Hause gestoppt wird, kannst du selbst wählen (dies kann sein z.B., wenn die Kinder von der Schule kommen, oder ein Abendkurs im Fitnessstudio beginnt). Wichtig ist, dass du dich daranhältst. Wer einen separaten Arbeitsraum zu Hause hat, kann bei diesem die Türe zuschliessen und so die Trennung (mental als auch physisch) klar herbeiführen. Oder wer eine Arbeitsecke hat, der könnte die Trennwand vorstellen oder das Licht auf dem Schreibtisch löschen, den Laptop und den Notizblock in der Schublade des Schreibtischkorpus versorgen etc. Nach der Arbeit kannst du die Zeit mit deiner Familie verbringen oder deinem Lieblingshobby nachgehen. Anstelle abgekämpft und gestresst, wirst du ausgeruht und motiviert wieder an die Arbeit zurückkehren können, wenn diese wieder beginnt.
Auch bei der Arbeit sollten klare Grenzen gesetzt werden, um ein gesundes Arbeitsumfeld zu haben. Ziehe Grenzen, damit deine Arbeitskollegen wissen, wie weit sie gehen dürfen, ohne dich zu überrennen.
5. Plane Zeit zum Nichtstun ein
Nimm dir täglich oder wöchentlich Zeit, um einmal komplett abzuschalten. Hier ein paar Ideen dazu:
-
Lege dich ins Gras und beobachte bewusst die vorbeiziehenden Wolken
-
Meditiere
-
Mache einen Spaziergang ohne klares Ziel, wohin du gehst, und beobachte Vögel
-
Gönn dir eine Massage
-
Treibe Sport aus Spass (und ohne Leistungsdruck)
Du denkst, dass dies alles unproduktive Aktivitäten sind? Ja das ist richtig und dies ganz bewusst. Denn diese Tätigkeiten tust du nur, weil du gerade Lust dazu hast, und nicht damit du daran gemessen wirst oder ein grösseres Ziel erreichst. Auf lange Zeit gesehen (also nicht von heute auf morgen) kannst du so dem stetigen Drang produktiv sein entgegenwirken.
Um abzuschalten, hilft es auch, wenn du das Handy und den Laptop abschaltest oder wergräumst. Denn wer nicht andauernd unterbrochen wird, kann achtsamer und konzentrierter sein. Einfach mal für 30min unerreichbar zu sein klingt doch erholsam, oder? Und wer sich einmal daran gewöhnt hat, dem wird das «Ausschalten» der Geräte auch nicht schwerfallen, um gedanklich «abschalten» zu können.
Fazit:
Der stete Drang zum Arbeiten und Produktiv sein, sowie die Tatsache, dass jede deiner Handlungen zu einem messbaren Ergebnis führen muss, spiegelt sich in der Denkweise der Toxischen Produktivität wider. Toxische Produktivität kann zu beruflichem Burnout führen, aber auch schwerwiegende gesundheitliche (psychische und physische) Folgen haben. Wenn du diese schwächende Haltung an dir erkannt hast, kannst du aktiv dagegen vorgehen. Folgende Punkte unterstützen das stete Überarbeiten zu besiegen.
-
Prioritäten setzen
-
Lerne «nein» zu sagen
-
Arbeitspausen
-
Trennung zwischen Privat- und Berufsleben
-
Aktives Nichtstun